Veröffentlichung

Verbund-Forschende

30 Jahre Deutsche Einheit aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Ausgewählte Ergebnisse der 31. Welle der Sächsischen Längsschnittstudie 2020.

Zusammenfassung

Im 30. Jahr der deutschen Wiedervereinigung sind die Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern, zwischen West- und Ostdeutschen in vielen verschiedenen Bereichen sichtbar. So sind z.B. die Einkommen im Osten immer noch deutlich niedriger, die Arbeitslosenquote ist höher, die AnhängerInnen der AfD und von Die Linke sind zahlreicher.

Dieser Ergebnisbericht stellt in Ergänzung zu den letzten Publikationen ausgewählte Daten der 31. Welle der Sächsischen Längsschnittstudie mit dem Schwerpunkt Einschätzung der Wiedervereinigung dar. Die Sächsische Längsschnittstudie (Berth et al., 2020, http://www.wiedervereinigung.de/sls) wurde bereits 1987 bei damals 14-jährigen SchülerInnen (N = 1.407) in den Bezirken Karl-Marx-Stadt und Leipzig der damaligen DDR begonnen. N = 587 erklärten sich im Frühjahr 1989 zur weiteren Mitarbeit bereit.

Die TeilnehmerInnen füllten nahezu jährlich einen (Online-) Fragebogen aus, der vor allem Fragen zur Erleben der ostdeutschen Transformation aus sozialwissenschaftlicher Perspektive enthält. Weitere Fragestellungen befassen sich u. a. mit der psychischen und physischen Gesundheit, der Familiengründung, der Binnenmigration oder dem Erleben von Arbeitslosigkeitserfahrungen.

An der 31. Erhebung 2019/2020 nahmen N = 323 Personen teil (55 % weiblich, mittleres Alter 47,2 Jahre, 81 % in Partnerschaft lebend). Die 32. Erhebungswelle ist bereits geplant.

Die deutsche Wiedervereinigung wird insgesamt von den TeilnehmerInnen als Gewinn erlebt. 92 Prozent befürworten 2020 die Wiederherstellung der deutschen Einheit, 1990 waren es 74 Prozent. 90 Prozent gaben aber auch an, dass sie froh sind, die DDR noch erlebt zu haben. Die Befragten fühlen sich zu allen Erhebungszeitpunkten gleichermaßen als BürgerInnen der Bundesrepublik und als ehemalige DDR-BürgerInnen. Die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland wird zunehmend als Fortschritt bewertet (1996: 42 %, 2020: 56 %). In vielen Fragen finden sich im Zeitverlauf deutliche Veränderungen hin zu einer wachsenden „inneren Einheit“ und zu einer Annäherung von Ost und West. So sehen sich z.B. zunehmend mehr Befragte als GewinnerIn der Einheit (2005: 44 %, 2020: 76 %). Immer weniger der StudienteilnehmerInnen fühlen sich als „Deutsche 2. Klasse“ (1995: 53 %, 2020: 28 %). Jedoch wird durch die TeilnehmerInnen auch bilanziert, dass der Transformationsprozess noch lange nicht vollendet ist. Als Termin zur Herstellung der wirtschaftlichen Einheit wird das Jahr 2040, für die innere Einheit das Jahr 2044 angenommen. Als Einflussfaktoren für eine eher kritischere Sicht auf den Vereinigungsprozess erwiesen sich weibliches Geschlecht, niedrigere Bildung sowie der Wohnort Ostdeutschland.

Die Daten der Sächsischen Längsschnittstudie belegen in einzigartiger Weise die Entwicklung von Meinungen und Einstellungen bei einer identischen Gruppe Ostdeutscher seit 1987. Die Zustimmung zur deutschen Einheit ist im Beobachtungszeitraum immer uneingeschränkt hoch, der Prozess der Wiedervereinigung ist aus Sicht der StudienteilnehmerInnen jedoch in vielen gesellschaftlichen Bereichen noch nicht vollendet.

Eine Limitation der Studie ist die altershomogene, überdurchschnittlich gut gebildete Stichprobe von ausschließlich in Sachsen aufgewachsenen Ostdeutschen. Die Verallgemeinerung der Ergebnisse auf andere ostdeutsche Länder und/oder andere Altersgruppen sollte daher vorsichtig erfolgen. Die Teilnahmequote liegt nach mehr als 30 Jahren Studiendauer bei 53 Prozent. Längsschnittdaten einer westdeutschen Vergleichsgruppe sind nicht verfügbar.

Schlagworte:

Sächsische Längsschnittstudie, Wiedervereinigung, Transformation, Ostdeutschland, neue Bundesländer, friedliche Revolution

Abstract

After 30 years of Germany being reunified, differences between the newly formed German states and the former West German states as well as between their citizens are evident in many societal aspects. To give a few examples, the incomes in eastern Germany are still considerably lower, the unemployment rate is higher and there are more supporters of rightwing as well as left-wing extremist parties.

In addition to previous publications, this report shows selected data of the 31st wave of the Saxony Longitudinal study while focusing on the evaluation of the German reunification. The Saxony Longitudinal study (Berth et al., 2020, http://www.wiedervereinigung. de/sls) was started in 1987 with students aged 14 at the time (N = 1,407) that were living in the districts of Karl-Marx-Stadt and Leipzig in the former GDR. In the spring of 1989, N = 787 agreed to further participate in the study.

Almost every year, the participants filled out an (online) questionnaire, which mainly contains questions about the experience of the transformation of eastern Germany from a socio-scientific perspective. Further questions concerned mental and physical health, starting a family, migration within Germany, and dealing with unemployment.

N = 323 participants took part in the 31st survey in 2019/2020 (55 % female, mean age = 47.2 years, 81 % in a relationship). The 32nd wave has already been planned.

Current findings show that most participants see the German reunification as a gain. In 2020, 92 % are in favor of the reunification, compared to 74 % in 1990. However, 90 % stated they were glad to have experienced living in the GDR. The participants felt equally as former citizens of the GDR as well as citizens of the Federal Republic of Germany at all time points of the survey. Social development in eastern Germany is increasingly viewed as progress (1996: 42 %, 2020: 56 %). In many issues, there are clear changes over time towards a growing "inner unity" and a rapprochement between East and West. For example, more and more participants see themselves as winners of the reunification (2005: 44 %, 2020: 76 %), while fewer of them feel like "secondclass Germans" (1995: 53 %, 2020: 28 %). However, the participants also noted that the transformation process is far from complete. The year 2040 is assumed to be the date on which economic unity is established, while inner unity is assumed to be reached in 2044. Factors contributing to a more critical view of the unification process are female gender, lower education and living in eastern Germany.

The data of the Saxony Longitudinal study provide unique evidence of the development of opinions and attitudes among an identical group of East Germans since 1987. Approval of German unification has always been high during the observation period, but in the eyes of the participants, the process of reunification is not yet complete in many societal areas.

One limitation of the study is the age-homogeneous, disproportionately well-educated sample of East Germans who grew up exclusively in Saxony. The generalization of the results to other East German countries and/or other age groups should therefore be done with caution. The participation rate after more than 30 years of data collection is at 53 %. Longitudinal data of a West German comparison group are not available.

Keywords:

Saxony Longitudinal study, reunification, transformation, East Germany, new federal states, peaceful revolution

Alle Publizierende

Berth H., Förster P., Brähler E., Zenger M., & Stöbel-Richter Y.

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