Veröffentlichung

Verlag

Metropol

Verbund-Forschende

Erinnerte Repressionserfahrungen in den letzten Jahren der DDR und deren Auswirkungen im Lebensverlauf

Zusammenfassung

Im Jahr 2000 erhielt Eric R. Kandel den Nobelpreis für Medizin für seine Forschungen zum Gedächtnis. Durch seine Studien mit der Seeschnecke Aplysia wurde bekannt, auf welcher neurowissenschaftlichen Basis menschliche Erinnerungen entstehen. Doch viele Gedächtnisprozesse gelten immer noch als wenig erforscht. Persönlich bedeutsame Erinnerungen (»Mein erster Kuss«) bleiben häufig lebenslang abrufbar. Und wer nur alt genug ist, wird sich noch recht detailliert erinnern können, was sie oder er am Tag des Mauerfalls 1989 getan hat. »Relevantes« Schulwissen, wie etwa die Berechnung des Scheitelpunkts einer Parabel (Mathematik der 9./10. Klassenstufe), haben die meisten Menschen hingegen bereits kurz nach Schulabschluss vergessen. Zudem gibt es Gedächtnisinhalte, die die meisten Menschen gerne vergessen würden, aber nicht können. Der Gedächtnisforscher Daniel L. Schacter bezeichnet es als »Sünde der Persistenz«, dass es aufdringliche und unerwünschte Erinnerungen gibt, die nicht verlorengehen. Dazu können auch Erfahrungen von politischer Unterdrückung und Verfolgung in der Vergangenheit gehören. Die Auseinandersetzung mit den langfristigen Folgen von Repressionen in der DDR steht in letzter Zeit immer stärker im Zentrum der Forschung. Als gut untersucht können die psychischen Folgen von politischer Inhaftierung in der DDR, als eine Maximal Form der staatlichen Repression, angesehen werden. Es wird angenommen, dass zwischen 1949 und 1990 zwischen 200 000 und 250 000 Personen aus politischen Gründen wie Wehrdienstverweigerung, versuchte Republikflucht oder offen geäußerte Kritik am Staatssozialismus inhaftiert waren. Die dazu vorliegenden Studien zeigen recht eindeutig ein erwartungskonformes Muster: Personen, die aus politischen Gründen in der DDR eingesperrt wurden, leiden psychisch vielfach auch nach Jahrzehnten noch an den Folgen: Sie haben häufig posttraumatische Belastungsstörungen, sie berichten über mehr Ängstlichkeit, Depressivität und körperliche Beschwerden und eine geringere Lebensqualität.

Alle Publizierende

Berth, H., Brähler, E., Förster, P., Zenger, M. & Stöbel-Richter, Y.

zurück